Mittwoch, 2. April 2025 («Liberation Day»)
Präsident Trump kündigte umfassende neue Zölle an: ein Basissatz von 10% auf alle Importe tritt ab dem 5. April in Kraft, mit höheren «reziproken» Sätzen für bestimmte Länder ab dem 9. April. Zum Beispiel: 34% China, 24% Japan, 20% EU und 31% Schweiz. Die vollständige Liste umfasst über 100 betroffene Länder. Kanada und Mexiko bleiben vorerst ausgenommen, Autozölle von 25% wurden bekräftigt. Ausnahmen gelten für Produkte wie Kupfer, Halbleiter, Energie und Pharmazeutika.
Donnerstag, 3. April 2025
Nach der Ankündigung kam es weltweit zu starken Marktreaktionen:
- Aktien: Nikkei -2.8%, S&P 500 -4.8%, Eurostoxx50 -3.6%, SMI -2.5%
- Renditen: US 10-Jahresrenditen fallen auf 4.05%
- Währungen/Rohstoffe: USD schwächer; sichere Häfen wie CHF, JPY und Gold werden gesucht
Freitag, 4. April 2025
Nach dem Ausverkauf an den Aktienmärkten am Donnerstag zeigten sich in Europa erste Stabilisierungstendenzen. Chinas Vergeltungsmassnahme – ein reziproker Zoll von 34% auf US-Waren – löste jedoch neue Ängste vor einem globalen Handelskrieg aus und führte zu erneut hohen Abgaben an den Märkten:
- Aktien: Nikkei -2.8%, S&P 500 -6.0%, Eurostoxx50 -4.6%, SMI -5.1%
- Renditen: US 10Y yield down to 3.99%, 2Y to 3.6%
- Währungen / Rohstoffe: Gold fällt 2.7% handelt aber weiterhin über $3’000 pro Unze, Rohöl minus 7.4%
Warum fielen die Zölle umfassender aus als erwartet – und was bedeutet das?
Neue Zölle sind erwartet worden, doch so-wohl der Umfang als auch die Höhe überraschten. Wir sind davon ausgegangen, dass sich Präsident Trump auf die sogenannten «Dirty 15» konzentriert – die 15% der Länder mit dem grössten Handelsbilanzdefizit mit den USA. Dass jedoch über 100 Länder betroffen sind – auch solche, mit denen die USA einen Handelsüberschuss haben (z. B. das Vereinigte Königreich oder Brasilien) – wirft Fragen auf.
Überraschend ist auch die Berechnungsgrundlage: Die Zollhöhen orientieren sich nicht an bestehenden Zöllen der Handelspartner, sondern am US-Handelsdefizit:
Berechnungsgrundlage für die Zölle

Als Folge senken wir unsere US-BIP-Wachstumsprognose auf 1%. Die Unsicherheit bleibt allerdings hoch. JP Morgan erhöhte die Rezessionswahrscheinlichkeit auf 60%, Goldman Sachs bleibt mit 35% etwas optimistischer. Auch der Anleihemarkt reagierte: Die Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen fielen unter 4% und der Markt preist bis zu 100 Basispunkte an Zinssenkungen in diesem Jahr ein.
Sind diese Zölle endgültig?
Sofern andere Länder keine Gegenzölle verhängen (wie China), scheinen die veröffentlichten Zollraten als Grundlage für «Verhandlungen nach unten» zu dienen. Finanzminister Scott Bessent erklärte in einem Interview, die aktuellen Zollsätze seien eine «Obergrenze und keine Untergrenze» – ein Hinweis auf einen möglichen Verhandlungsspielraum.
Laut aktuellen Medienberichten hat Vietnam bereits Kontakt mit der US-Regierung aufgenommen, um eine Verschiebung des Zolls in Höhe von 46% zu erreichen und hat angeboten Zölle auf US-Waren allenfalls komplett zu streichen. Wir erwarten, dass weitere Länder in den kommenden Tagen mit der US-Regierung in Kontakt treten werden. Dadurch könnte sich der durchschnittliche Zollsatz letztlich bei 18% bis 22% einpendeln.
Was sind Donald Trumps Ziele – und die Auswirkungen?
Über die Beweggründe der Regierung wird spekuliert. Zwar gibt es Theorien, wonach absichtlich eine Rezession herbeigeführt werden soll, um die Vorgängerregierung (Demokraten) verantwortlich zu machen – dies erscheint jedoch zunehmend unwahrscheinlich. Die tatsächlichen Absichten sind noch nicht ganz klar, aus unserer Sicht können aber erste Ziele abgeleitet werden:
- Förderung inländischer Investitionen, indem globale Unternehmen zur Rückverlagerung der Produktion in die USA angeregt werden
- Druck auf die US-Notenbank (Fed), die Zinsen zu senken, um die Refinanzierung der in diesem Jahr fälligen Staatsschulden über 9.2 Billionen US-Dollar zu erleichtern
- Reduktion des US-Handelsdefizits und Abwertung des Dollars.
Fed-Vorsitzender Jerome Powell räumte am Freitag eine zunehmende Unsicherheit ein und widerstand dem politischen Druck, sofort zu handeln.
Wenige Stunden später kritisierte Trump Powell öffentlich und forderte ihn auf, «aufzuhören, Politik zu spielen», und dass es der «perfekte Zeitpunkt sei, die Zinsen zu senken», und dass «er (Powell) immer zu spät kommt». Wir sehen daher die Senkung der Zinssätze als eine der obersten Prioritäten an.
Scott Bessent bemerkte auch, dass «die oberen 50% (der Amerikaner) Aktien besitzen und die unteren 50% Schulden haben», was das politische und wirtschaftliche Motiv zur Senkung der Kreditkosten unterstreicht. Trump setzt die Federal Reserve unter Druck, die Zinssätze zu senken, und könnte ihren unabhängigen Vorsitzenden durch einen Loyalisten ersetzen – was das Vertrauen in den Dollar und das Finanzsystem gefährdet.
Weitere Berichte deuten darauf hin, dass die Ankurbelung des Binnenkonsums (z.B. durch den Verkauf von mehr lokalen Produkten durch US-amerikanische Landwirte) zur Senkung der Inflation beitragen könnte. Theoretisch klingt dies nach einer einfachen Lösung, doch wir rechnen mit einem Anstieg der Inflation auf 3.5%. Behauptungen, Warren Buffett befürworte die Zölle (und bezeichnete sie als «den besten wirtschaftlichen Schachzug seit 50 Jahren»), wurden schnell dementiert.
Und wie sieht es an den Aktienmärkten aus?
Die Anlegergemeinschaft ist weiterhin gespalten. Während der legendäre Investor Bill Gross Anleger davor warnt, auf fallende Messer aufzuspringen, sieht Ed Yardeni eine grossartige Kaufgelegenheit.
Die UBS schliesst nicht aus, dass der S&P 500 unter 5’000 Punkte fällt (derzeit bei 5’074), hält aber an einem kurzfristigen Ziel von 5’300 (+4%) fest und bezeichnet dies als «eher eine Kauf- als eine Verkaufschance, wenn die Zölle gemildert werden». Goldman Sachs ist nicht ganz so optimistisch, hält aber 5’700 immer noch für ein realistisches Jahresendziel (+12% von hier aus).
Betrachten wir zunächst drei mögliche Szenarien:
Basisszenario: Es ist mit rechtlichen und politischen Herausforderungen zu rechnen, da das Weisse Haus für diesen Schritt das selten angewandte IEEPA (International Emergency Economic Powers Act) geltend gemacht hat. Unser Basisszenario: Die Zölle werden durch Verhandlungen abgemildert, mit einer möglichen Lockerung (Zinssenkungen) im Laufe des Jahres. Allerdings steigt das Risiko von Vergeltungsmassnahmen, und eine kurzfristige Eskalation ist weiterhin möglich.
Best-Case-Szenario: rasche Rücknahme der Zölle – ähnlich wie im Februar gegenüber Mexiko und Kanada –, was jedoch angesichts der politischen Symbolik des «Tag der Befreiung» unwahrscheinlich erscheint. Längerfristige Verhandlungen führen zu niedrigeren Zollsätzen weltweit und Freihandelszonen.
Worst-Case-Szenario: Die angekündigten Zölle bleiben 3–6+ Monate in Kraft oder eskalieren im Zuge von Vergeltungsmassnahmen, was eine Rezession in den USA riskiert und eine Reihe von Zinssenkungen nach sich zieht.
Sollte sich der Basisfall durchsetzen und die globalen Entscheidungsträger besonnen bleiben, könnten die Märkte in eine Phase der Konsolidierung eintreten. Analysten haben die Prognosen für das Gewinnwachstum gesenkt, und das Forward-KGV liegt nun bei 19.4 und damit unter dem 5-Jahres-Durchschnitt, was auf eine verbesserte Bewertung hindeutet. Eine Rezession ist jedoch nicht eingepreist, was in der Vergangenheit zu einer Senkung des Gewinns je Aktie um etwa 14% geführt hat.
Unsere Empfehlungen
Wir raten von einer Überreaktion ab, empfehlen aber eine Überprüfung der Vermögens-, Regional- und Sektorallokationen. Während US-Aktien in den letzten Jahren andere entwickelte Märkte übertroffen haben, was auf die Ansicht des «amerikanischen Exzeptionalismus» zurückzuführen ist, sehen wir jetzt andere Teile des Aktienmarktes als attraktiver an.
- US-Aktien: bevorzugen Sie Unter-nehmen mit starker inländischer Produktion und/oder Preismacht (z.B. Alphabet, Zoetis, Colgate, Coca-Cola)
- Nicht-US-Aktien: Wir bevorzugen Unternehmen mit minimalem US-Engagement oder starker lokaler Präsenz und Preismacht (z.B. SIKA – US- Engagement, aber lokale Produktion, Ferrari – hat bereits angekündigt, die Preise für bestimmte Modelle in den USA um 10% zu erhöhen)
- Festverzinsliche Wertpapiere: Fokus auf hochwertige Anleihen mit mittlerer Laufzeit. Langfristige US-Staatsanleihen erscheinen attraktiv, wenn man eine Rezession erwartet.
- Gold: Trotz der Schwäche am Freitag (-2%) bleibt Gold aufgrund der Nach-frage der Zentralbanken, der Erwartungen einer Zinssenkung und einer möglichen erneuten quantitativen Lockerung im Falle weiterer Marktverwerfungen attraktiv.
Das aktuelle Umfeld erfordert massvolle Massnahmen. Angesichts der extrem negativen Stimmung und der heutigen Anzeichen einer Kapitulation könnte dies eine kurzfristige Erholungsrallye erforderlich machen, die durch Massnahmen der Zentralbanken unterstützt wird.
Eine Markterholung könnte daher genutzt werden, um Risiken neu zu verteilen und das Portfolio anzupassen. Wir beobachten die sich entwickelnde Situation genau und werden Sie fortlaufend auf dem Laufenden halten.
Weil die finanzielle Situation unserer Kundinnen und Kunden sehr individuell ist (unterschiedliche Risiko- und Kundenprofile), bitten wir Sie bei Bedarf den Kontakt mit ihrer Kundenberaterin oder ihrem Kundenberater aufzunehmen, um die persönliche Sachlage zu besprechen.
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